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Crocodile-Harry wird 70

Croc-Harry war wohl eine der bekanntesten Persönlichkeiten in Coober Pedy. Sein Leben würde sicher ein ganzes Buch füllen. Oder sogar einen Guten Film abgeben. Nach seinen Erzählungen weiß ich nur folgendes zu berichten: Als er ein Junge war, wurde der Familienbesitz in Litauen von den Nazis übernommen. Was das für ein Besitz war wußte hier niemand, aber die Familie sei adlig und er selber sei eigentlich Baron. Nach den alten Fotos in seinem Dugout war dies durchaus möglich. Er hatte sogar eine Frau hier, die wegen des Adelstitels hierher kam und ihn heiratete. Da sie aber schon lange getrennt lebten und sie nie richtig von Coober Pedy fortkam, ist es schwer zu verstehen was ihr der Titel eigentlich einbrachte. Als Teenager wurde Harry in die Reichsarmee eingezogen bevor er 19 Jahre alt war. Er sprach wenig über die Zeit als er in Rußland stationiert gewesen sei. Er hätte keine andere Wahl gehabt damals, sonst hätte er es vielleicht nicht überlebt. 1952 kam er per Schiff nach Australien, damals kostete so eine Reise für Einwanderer fast nichts. Eigentlich wollte er zuerst Kunst studieren in Freiburg, aber er fand er es wohl besser auszuwandern. Mit einigen Kollegen von der Deutschen Armee ging er in Australien ins Baugeschäft für einige Jahre. Später entschloß er sich Krokodile in Nordaustralien jagen zu gehen. Aber nicht mit einem Gewehr, das gibt bekanntlich ein Loch in das Produkt, erschlagen mußte man die Crocs. Ein harter Job, aber er brachte sehr viel Geld ein. Bis in die 70er Jahre war Australien ein Paradies, überall gab es Arbeit, gute Löhne und der Australische Dollar war auch viel mehr Wert als heutzutage. Und ein großes Krokodil brachte mehr Einkommen als eine Woche sonstige Arbeit damals. Als aber dann die Krokodiljagd illegal wurde, kam er nach Coober Pedy. Auch gerade zur rechten Zeit, die Opalpreise waren hoch und er hatte Glück. Heutzutage lebte er in einem Teil seiner ehemaligen Mine und finanzierte sein Leben von der Kriegsrente und seinen Ersparnissen. Die mußten sich auf einiges belaufen, denn für Alkohol war immer reichlich Geld vorhanden und das konnte etwas heißen bei ihm. Auch Szenen mehrerer Filme wurden bei ihm gedreht, wie Mad Max 3 oder Ground Zero. Er sammelt alle möglichen Kuriositäten, eines seiner Besten Stücke sei ein Büstenhalter von Tina Turner die damals bei den Dreharbeiten bei ihm war. Aber auch Unterschriften und "Gemälde" vor allem von weiblichen Touristen waren von Harry begehrt und zierten sämtliche Wände seines Dugouts. Diese alte Mine war jedenfalls sehr speziell und eine Touristenattraktion welche täglich ein bis zwei Busladungen Touristen anzog. So saßen wir eines Abends bei ihm Zuhause um des Barons Arvid von Blumenthals 70. Geburtstag mit viel Alkohol zu feiern. Wie der 50 Jahre lang so soff und lebte war unglaublich, denn wenn er einmal mit dem Trinken anfing, hörte er für mehrere Tage nicht mehr damit auf. Und er war schon wieder mal voll in Fahrt seit dem frühen Morgen. Mick, ein Österreicher der hier lebte, sowie Tom, ein Deutscher welcher seit über 10 Jahren jedes Jahr hierher kam und einige mir unbekannte Touristen saßen schon dort am Tisch. Man muß es sich so vorstellen, ein ziemlich großer Eingang, links und rechts einige Kuriositäten, danach links ist Harrys Küche und dort saßen wir bei spärlicher Beleuchtung und einigen Kerzen. Wie es so geht, eine Geschichte folgte der anderen. Alles in dieser höhlenmässigen Atmosphäre, als wie wenn die Welt ringsumher gar nicht mehr existieren würde. Zum Teil wurde es einem richtig unheimlich dabei. Wahrscheinlich sah es hier vor 20 Jahren nicht viel anders aus und ich hätte nicht wissen wollen, wieviel Hektoliter Alkohol an diesem Tisch in Harry und seine Gäste geflossen sind. Leider war Harry schon seit dem frühen Morgen am Wein trinken und redete manchmal unzusammenhängendes Zeug. Etwas Aufregung gab es als eine der Frauen auf die Toilette mußte. Mit viel Geschrei kam sie zurück, von wegen den Cockroaches (Kakerlaken) die dort hausten. Es war ja kein Licht dort auf dem stillen Örtchen und was sie im Schein der Taschenlampe sah, ließ sie laut aufschreien. Natürlich schwankten wir alle dorthin um uns die Viecherei anzusehen. Es waren wirklich nicht wenige, so haben wir eine ganze Sprühdose Insektizid angestochen und ins Loch geworfen! Ich sollte hier noch erwähnen, daß das Stille Örtchen etwa 10 Meter außerhalb des Dugouts war und einfach nur etwas Wellblech darum hatte, wie noch so viele dieser sog. Longdrop Toiletten. Da ist meistens nur ein Sitz auf einem Loch welches etwa 20 Meter tief war. Aber was da alles herauskroch, war einfach unglaublich. Nicht hunderte, tausende Insekten flohen vor dem Gift. Und wir draußen hüpften und tanzten herum um zu zertreten was da kam. Nicht, daß das Getier ins Dugout kam oder uns gar das Hosenbein raufkrabbelte. Ziemlich erschöpft gingen wir ins Dugout zurück, jedenfalls hatten die Touristen nun Zuhause etwas zu erzählen. Später zeigte uns Harry dann auch seine Orden aus dem Krieg. Wie häufig beschwerte er sich auch über die Schlechtigkeit der Leute, denn er hatte fast überall "Hausverbot" in Coober Pedy. Vor allem im Pub mußte er sich einmal wirklich schlecht aufgeführt haben um gleich für Jahre ein Hausverbot zu bekommen. Ich hatte schon gehört, daß er sich dort ausgezogen habe. Obwohl Australier nicht ganz so prüde wie die Amerikaner sind, ist so etwas aber auch nicht gerade an der Tagesordnung. Am jährlichen ANZAC -Gedenkmarsch darf er auch seit langem nicht mehr mitgehen. Im Stechschritt, wie er es gelernt habe sei er einmal gelaufen und das habe den Aussies nicht gepaßt. Manche sagen gar, er habe eine Hakenkreuzfahne getragen. Ich selber glaube das kaum, doch seine alten Orden trug er sicher. Krieg ist Krieg und was kann einer dafür auf welcher Seite er steht? So wie er heute abend auch wieder einmal bruchstückhaft alte Soldatenlieder zum besten gab, die wohl sicher andernorts nicht mehr als "gesellschaftsfähig" gelten würden. Gegen 3 Uhr morgens johlten wir alle ein bißchen mit und das machte Harry glücklich, denn obwohl er kein schlechter Mensch ist, hat er nur wenige Freunde vor Ort aber er kann gute Momente genießen. Daß jemand mit 70 Jahren noch soviel trinken kann war mir ein Rätsel. Und immer wieder kamen Geschichten oder gesammelte Kuriositäten an, oder auch auf den Tisch. Seine Mine/Wohnung ist ein Museum seines Lebens. Es ist ein Leben welches gelebt wurde und er könne ruhig sterben, sagte er einmal. Sein Grabstein sei jedenfalls schon in Planung und einige Tausend Dollar bereit für die Party dazu. Solange er lebt, sollte man ihn unbedingt kennenlernen wenn man einmal in Coober Pedy ist. Mit etwas Glück trifft man ihn nüchtern und da sollte man sich wirklich etwas Zeit mit ihm nehmen.